Was, wenn eine Schwangere an Covid-19 erkrankt? Experten geben leise Entwarnung: Eine Übertragung über die Plazenta gilt nach aktuellem Wissensstand als unwahrscheinlich.

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Rosa* ist in der 38. Schwangerschaftswoche, es ist ihr erstes Kind. Eigentlich wollte sie drei Tage nach der Geburt im Krankenhaus bleiben, bevor sie nach Hause geht. Doch aufgrund des aktuellen weitgehenden Besuchsverbots in Krankenhäusern ist es nicht mehr erlaubt, dass ihr Partner Andreas* sie auf der Wochenbettstation im St.-Josef-Krankenhaus der Vinzenzgruppe in Wien besucht. Jetzt zieht das Paar eine ambulante Geburt in Erwägung. Das bedeutet, dass Mutter und Kind innerhalb von 24 Stunden nach der Entbindung das Krankenhaus verlassen. "Ansonsten bin ich tagelang ohne den Papa des Kindes im Spital", sagt Rosa.

Stand Donnerstag darf ihr Partner noch bei der Geburt mit in den Kreißsaal – wenn er einen kurzen Gesundheitscheck vor Ort besteht.

Besuchsverbote

Wäre Rosa am LKH Graz angemeldet, wäre es anders. Dort darf die Begleitperson der Gebärenden nicht mit ins Spital. Beim Krankenanstaltenverbund (KAV) in Wien heißt es, man wolle jedem werdenden Vater ermöglichen, bei der Geburt dabei zu sein, aber mit Sicherheit will man dies nicht zusagen: "Wir hanteln uns von Tag zu Tag", sagt ein KAV-Sprecher. Die Letztentscheidung darüber obliege den Diensthabenden vor Ort. Nur gesunde Väter würden zugelassen. Und im Wochenbett gilt dann das generelle Besuchsverbot.

Auf Bundesebene wurde eine einheitliche Regelung der Begleitung in den Kreißsaal diskutiert, man überlässt die Entscheidung dieses "sehr sensiblen Themas" aber den jeweiligen Krankenhausträgern, wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) auf STANDARD-Nachfrage sagt.

Bis Ende letzter Woche musste Rosas Partner Andreas noch physisch in der Arbeit anwesend sein, die werdenden Eltern hoffen nun, dass er mit keinen Risikofällen in Kontakt war. "Er hat 40 Kollegen, alle davon haben Kinder", sagt Rosa.

Sorge vor Engpässen

Und dann gibt es noch die große Befürchtung im Hintergrund: "Wir fragen uns natürlich schon, wie die Krankenhäuser in zwei oder drei Wochen aufgestellt sein werden. Wird die Infrastruktur noch ausreichend vorhanden sein?", sagt Rosa.

In Wien ist derzeit noch die Geburtenstation im Donauspital wegen eines Covid-19-Falles und Quarantänemaßnahmen für das Personal gesperrt. Aus dem Partnerspital Krankenhaus Nord, wo viele der im Donauspital ursprünglich angemeldeten Geburten nun stattfinden, hört man aus der Belegschaft, dass der Andrang bewältigbar sei.

Beim KAV heißt es, Geburten würden aktuell an allen Stationen außer der gesperrten "ganz normal" stattfinden. Sollte erneut eine Covid-19-Erkrankung an einer Geburtshilfe auftauchen, würden dort angemeldete Frauen darüber informiert.

Kurzer Spitalsaufenthalt als Ziel

Viele Schwangere versuchen nun den Spitalsaufenthalt so kurz wie möglich zu halten. "Man merkt, dass sich viele jetzt in letzter Minute eine Hausgeburt überlegen", beobachtet eine Wiener Hebamme. Allerdings müssten für eine Hausgeburt alle Umstände stimmen, und normalerweise würden sich werdende Mütter und Hebammen auf eine Hausgeburt ausführlich gemeinsam vorbereiten. Für die Geburtenstationen ungewöhnlich: Es gehört nun sowohl beim Personal als auch bei Patientinnen der Mundschutz zum Alltagsbild.

Die Vorbereitung auf die Geburt ist etwas, das nun auch für Rosa ganz anders aussieht als gedacht: Geburtsvorbereitende Kurse? Gestrichen. Akupunktur, Yoga, Gymnastik, die Rosa zu besuchen vorhatte, entfallen.

Manche Hebammen bieten Online-Vorbereitungskurse (zum Beispiel deine-geburt.com) an. Schwangere und Frauen im Wochenbett werden etwa über Skype betreut. Nur in dringenden Fällen machen Hebammen nach Angaben des Österreichischen Hebammengremiums aktuell Hausbesuche, zum Beispiel bei akuten Stillproblemen oder wichtigen Nachsorgeuntersuchungen im Wochenbett.

Mutter-Kind-Pass-Ausnahmen

Auch für Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen im Spital und beim niedergelassenen Gynäkologen gilt: Was klinisch notwendig ist, wird durchgeführt, was nicht, entfällt. Im Zweifelsfall sollen sich Frauen beim Arzt beziehungsweise der betreffenden Abteilung telefonisch informieren.

Die Krankenkassen wurden angewiesen, "keine Kürzungen beim Kinderbetreuungsgeld vorzunehmen, wenn die Durchführung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen für die Eltern aufgrund der aktuellen Situation nicht möglich beziehungsweise zumutbar ist", informiert das Familienministerium.

Arzt sieht rechtliche Fragen

Aktuell komme frau nur mit Anmeldung in die Praxis, erklärt Johannes Seidel, Gynäkologe bei der Privatklinik Woman & Health. Er hält Kontrolluntersuchungen an Schwangeren weiterhin für wichtig. "Die Frauen wollen natürlich wissen, wie es ihrem Kind geht, sonst steigt die Nervosität", sagt Seidel. Entfallen pränataldiagnostische Untersuchungen, "wirft das auch rechtliche Fragen auf", sagt der Facharzt. Etwa wenn man eine schwere Behinderung des Kindes erst in der 16. Schwangerschaftswoche entdecke.

Wenn sich eine Schwangere infiziert, spricht nach aktuellen Erkenntnissen auch bei einer Erkrankung nichts gegen eine vaginale Geburt. Auch eine Periduralanästhesie (PDA) ist in diesem Fall laut Deutscher Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und Berufsverband der Frauenärzte möglich.

Die guten Nachrichten: Schwangere haben kein erhöhtes Risiko, sich zu infizieren. Jene, die erkrankt sind, haben bisher keine schwereren Krankheitsverläufe gezeigt. Auch das Risiko einer Fehlgeburt dürfte nicht erhöht sein. Und eine Übertragung des Virus über die Plazenta auf das Kind scheint zum derzeitigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. (Vanessa Gaigg, Oona Kroisleitner, Gudrun Springer, Franziska Zoidl, 20.3.2020)

* Namen redaktionell geändert